Silke Burmester: „Wir sind mit David Bowie sozialisiert worden und werden jetzt keine Schlager singen“

Silke Burmester: „Wir sind mit David Bowie sozialisiert worden und werden jetzt keine Schlager singen“ 2560 1890 Verena Liebeck
#behind­the­s­cenes

Silke Burmester: „Wir sind mit David Bowie sozialisiert worden und werden jetzt keine Schlager singen“

31. Januar 2024

Wie die Journa­listin mit ihrem Online-Magazin Palais Fluxx und aufmerk­sam­keits­starken Kampagnen einen neuen Blick auf Frauen jenseits der 47 prägt.

Eine Gesell­schaft, in der jeder jung bleiben oder zumindest so aussehen möchte, tut sich natürlich schwer mit dem Älter­werden. Dabei wird die Gruppe älterer Menschen immer größer in Deutschland. Und sie altern immer indivi­du­eller. Das Bild in der Öffent­lichkeit – besonders was ältere Frauen betrifft – ist jedoch noch immer von Klischées und Abwertung geprägt. Genau das ärgerte Silke Burmester, vielfach ausge­zeichnete Journa­listin und Bestseller-Autorin, schon seit geraumer Zeit. Bereits vor Jahren hatte sie die Idee für ein Magazin über Menschen ab 65. Zwar kam dieses Magazin am Ende nicht zustande, doch ein Freund riet ihr, am Thema festzu­halten, es erstmal kleiner zu denken und einfach anzufangen. Und genau das machte Silke Burmester im Herbst 2020, also mitten im Corona-Jahr. Das Online-Magazin Palais Fluxx ging an den Start.

Dahinter steckt die Überlegung, einen Ort und eine Gemein­schaft für Frauen jenseits der 47 zu schaffen, die die Lebenswelt der Zielgruppe auf frische Art abbildet. Gleich­zeitig deutet Palais Fluxx die nicht immer einfachen Verän­de­rungs­pro­zesse dieser Lebens­phase aber um und begreift sie auch als Chance und Lustgewinn. „Wir brauchen ein neues Altersbild und Mitein­ander. Die jetzt alternden Menschen sind nicht beige und Begonie wie frühere Omas. Wir sind mit David Bowie sozia­li­siert worden und werden jetzt nicht anfangen, Schlager zu singen“, bringt es Silke Burmester plakativ auf den Punkt. Seit langem nervt sie, dass vor allem ältere Frauen in unserer Gesell­schaft abgewertet werden. Kaum seien Frauen in den Wechsel­jahren, würden sie wie Mangel­ex­em­plare angesehen. „Es steckt so viel Potential im Alter, das sich auch zum Nutzen der Gesell­schaft entfalten möchte. Und gemeint ist damit nicht der Pflegeaspekt.“

Aufbruch statt Stagnation in der zweiten Lebenshälfte

In der Tat beginnt für viele Frauen in den Wechsel­jahren ein neuer und oft beglü­ckender Lebens­ab­schnitt. Die Kinder sind meist erwachsen oder schon aus dem Haus, sodass ein neuer Freiraum zur Gestaltung entsteht. Genau diesen Freiraum zeigt Palais Fluxx mit ihrem Magazin auf. Hier gibt es nicht die Themen klassi­scher Frauen­ma­gazine wie Mode, Kosmetik und Rezepte. Statt­dessen werden gesell­schafts­po­li­tisch relevante Themen angesprochen, aber auch Erotik findet hier ganz ohne Scham statt. „Viele Frauen haben keine Lust, sich mit den üblichen Themen zu beschäf­tigen oder ihr Haus neu einzu­richten. Sie finden ganz andere Frage­stel­lungen wichtig“, so Burmester. Bei Palais Fluxx geht es um „Aufbruch statt Stagnation“ (Burmester). Der Claim zum Magazin lautet denn auch „Online­ma­gazin für Rausch, Revolte, Wechsel­jahre.“ Einigen Frauen ist der unkon­ven­tio­nelle Palais und seine Community nicht gefällig genug; doch der Humor, das Unange­passte, der ironische Blick aufs eigene Leben zieht immer mehr Leserinnen an. Inzwi­schen gibt es längst eine verschworene Gemein­schaft, die sich auch gerne mal am Feuer bei Stockbrot und Crémant oder bei Wochenend-Retreats trifft. Die Zahl der Leserinnen und freiwillig Zahlenden wächst und wächst.

Burmester selbst steckt ihr ganzes Herzblut in die Weiter­ent­wicklung von Palais Fluxx. Über 20 Jahre arbeitete sie für führende Medien­marken wie die Süddeutsche, Spiegel Online und das Manager Magazin. In der Medien­szene ist sie eine anerkannte Größe. Denn schon nach ihrem Abi, das sie mit 26 am Wirtschafts­gym­nasium in St. Pauli nachholte, brachte sie mit „Pussy Planet“ ein pop-feminis­ti­sches Magazin heraus, von dem einfach jeder sprach. Damals zeigte sich schon ihre große Gabe. „Meine Stärke ist so etwas wie „Antischreck“. Ich kann gut Sachen erfinden.“ Bei „Antischreck“ handelt es sich um kleine Packungen mit Gummi­drops, die laut ironi­scher Selbst­be­schreibung die „Angst vor reifen Frauen“ nehmen soll. Jüngst produ­zierte die Hambur­gerin für Palais Fluxx Buttons mit der Aufschrift „Demokratie hat keine Alter­native“. Denn das Online-Magazin will sich ganz bewusst in gesell­schafts­po­li­tische Debatten einklinken und sie mitprägen.

Ehren­preis für #letsch­an­ge­the­picture Kampagne

Im letzten Jahr gelang Silke Burmester zusammen mit der bekannten Schau­spie­lerin Gesine Cukrowski ein richtiger Coup. Unter dem Hashtag #letsch­an­ge­the­picture machte die Kampagne, an der sich viele namhafte Schau­spie­le­rinnen betei­ligten, darauf aufmerksam, dass das Bild von älteren Frauen in Film und Fernsehen in den 90ern hängen geblieben zu sein scheint, klischeehaft und einseitig ist. Und weit entfernt von einer Lebens­rea­lität wie Burmester sie bei Frauen 47+ ausmacht.
Bereits 2022 hatte Silke Burmester zu diesem Thema einen Text auf Zeit Online veröf­fent­licht. Dieser legte die Basis und brachte Burmester und Cukrowski zusammen. Im letzten Jahr kam man kaum an dieser Kampagne kaum vorbei. Viele große Zeitungen führten Inter­views mit renom­mierten älteren Schau­spie­le­rinnen, die, anders als ihre männlichen Kollegen in dem Alter, kaum mehr Rollen­an­gebote bekommen. Und wenn, dann als grame Witwe oder glück­liche Oma. Auch in zahlreichen Podcasts und TV-Beiträgen wurde das Thema gefea­tured. Krönender Abschluss war dann der Gewinn des Ehren-Awards des Deutschen Schau­spiel­preises letzten Herbst. Inzwi­schen fanden Treffen und Diskus­sionen mit Produk­ti­ons­ge­sell­schaften statt, es scheint ein Ruck durch die Fernseh­land­schaft zu gehen.

In Kürze wird sich Palais Fluxx mit einem neuen Thema an die Öffent­lichkeit wenden. Anfang März startet eine von der Antidis­kri­mi­nie­rungs­stelle der Bundes­re­gierung gespon­sorte Social-Media-Kampagne, die Unter­nehmen auf den unver­zicht­baren Wert von Frauen für den Arbeits­markt aufmerksam machen will. Kampa­gnen­in­halte und Motive stammen aus der Feder von Silke Burmester. „Wir sind gut darin, öffentlich zu mobili­sieren und genießen ein hohes Vertrauen in der Zielgruppe. Wir können es uns als Gesell­schaft schlicht nicht leisten, ältere Menschen aufs Abstell­gleis zu stellen.“

Ausgeh­tipps von Silke Burmester

Ihre liebste Hotelbar (trotz den „unbequemen Sesseln“, O-Ton Burmester): Die Bar im Hotel Reichshof.

https://www.reichshof-hotel-hamburg.de/

Minus: Queere Bar in Karoviertel

http://www.minus.bar/

Zum Online-Magazin

https://palais-fluxx.de/

Weitere Infos:

https://www.instagram.com/palais_fluxx/

https://www.linkedin.com/company/palais-fluxx/?originalSubdomain=de